Wirkung der Studiengebühren in Baden-Württemberg bestätigt Befürchtungen

2010 wurden die allgemeinen Studiengebühren in NRW auf Grund der Proteste der Studierendenschaften nach weniger als einer Legislaturperiode wieder abgeschafft. Als die schwarz-gelbe Landesregierung im vergangenen Jahr mit dem Plan antrat, nach dem Vorbild von Baden-Württemberg Studiengebühren in Höhe von 1500 € pro Semester von Nicht-EU-Studierenden zu verlangen, führte der Protest dazu, dass ihre Entscheidung zunächst verschoben wurde, um erste Statistiken zur Wirkung solcher Gebühren aus Baden-Württemberg abzuwarten. Am 8.5. meldete das Statistische Landesamt Baden-Württemberg nun: „Trendwende bei den Studierendenzahlen (…) Weniger Bildungsausländerinnen und -ausländer nach Einführung von Studiengebühren (…) Gegenüber dem Wintersemester 2016/17 sank die Anzahl (…) um 21,0 %“.

Katrin Lögering vom Landes-ASten-Treffen NRW analysiert die Zahlen des statistischen Landesamtes genauer: „Die Zusammensetzung der Gruppe der ausländischen Studierenden hat sich stark verschoben. So gibt es fast gar keine Neueinschreibungen von Studierenden aus Afrika mehr und deutlich weniger Studierende aus Asien. Die Studiengebühren in Baden-Württemberg führen offenbar dazu, dass künftig vorrangig das Geld darüber entscheidet, wer aus dem Nicht-EU-Ausland in Baden-Württemberg studieren kann. Die Folgen für die Hochschullandschaft hinsichtlich Forschung und Lehre sind für alle Studierenden immens, da Einbußen hinsichtlich des internationalen Austausches einfach in Kauf genommen werden. Zusätzlich dürfen Studierende aus dem Ausland meist nur sehr begrenzt neben dem Studium jobben. Die damit verbundene wahrscheinliche Verlängerung ihrer Studienzeit führt dazu, dass sie Probleme mit ihren Visa bekommen. Die Zahl der Studierenden aus dem Ausland, die ihr Studium ohne Abschluss abbrechen müssen bzw. abhängig vom elterlichen Geldbeutel sind, wird stark steigen.“

Kurt Stiegler vom Aktionsbündnis gegen Bildungs- und Studiengebühren (ABS) kritisiert die gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen der Gebühren: „Studiengebühren abhängig vom Pass zu erheben, bedient in erster Linie national-egoistische Stimmungen und rückt rechte und diskriminierende Argumente in die Mitte der Gesellschaft. Zudem wird Bildung durch die Gebühren für alle zur Ware erklärt, auch wenn nur bestimmte Studierende die Gebühren zahlen müssen. Bildung muss endlich wieder überall als gesamtgesellschaftlicher Auftrag verstanden werden! Politik, die gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausspielt, halten wir für populistisch. Es liegt nahe, dass ein Studium so allein nach den Anforderungen der möglichen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ausgerichtet wird, damit sich Investitionen in die mit Preisschild versehene Bildung auch lohnen. Mit internationaler Solidarität und Bildung, wie wir sie verstehen, hat das nichts mehr zu tun.“

Der Protest wird nicht nur von studentischer Seite getragen. Inzwischen haben sich auch die Senate zahlreicher Hochschulen öffentlich positioniert. So schreibt etwa die Deutsche Sporthochschule Köln: „Damit die Hochschulen zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt beitragen können, ist der wissenschaftliche Austausch auf internationaler Ebene – in Forschung und Lehre – zentral.“ Der Senat der Universität zu Köln erklärt in seiner Stellungnahme: „Gerade in Zeiten des Wiedererstarkens nationaler Egoismen und autoritärer Entwicklungen fühlt sich die Universität umso mehr verpflichtet, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, offenes Diskussionsforum und plurale Wirkungsstätte für Studierende aus aller Welt zu sein. (…) Stipendienprogramme und Härtefallregelungen mögen die negativen Auswirkungen vielleicht abmildern, können sie aber keineswegs kompensieren. Die durch Studienbeiträge generierten Einnahmen stehen jedenfalls – ganz abgesehen von dem von den Universitäten zu leistenden Verwaltungsaufwand – in keinem angemessenen Verhältnis zu den zu befürchtenden Schäden.“

Nina Krüger vom Landesausschuss der Studentinnen und Studenten der GEW NRW meint: „Die Ministerin hat bei ihrem Antritt versprochen, keine Änderungen gegen die Stimmen der Hochschulen durchzusetzen. Wir nehmen die Ministerin jetzt beim Wort und fordern sie hiermit zu einem Kurswechsel auf: Bildung wird mehr, wenn man sie teilt. Bildung zur Ware zu machen heißt dagegen, sie denen vorzuenthalten, die sie sich nicht leisten können. Die damit verbundene Einschränkung von Entwicklungsmöglichkeiten, Ideen, Kultur, und Verbesserung der Lebensbedingungen können wir uns nicht länger leisten. Bildungsgebühren jeglicher Art endlich konsequent abzubauen, anstatt neue einzuführen, ist auf der Höhe der Zeit.“


Weitere Infos

– Pressemitteilung des statistischen Landesamtes Baden-Württemberg: https://www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2018095
– Beschlüsse der Hochschulen zu Studiengebühren: http://gewstudisnrw.blogsport.de/2018/01/27/stellungnahmen-gegen-die-studiengebuehrenplaene-der-landesregierung/